Ärzte-Rundschreiben Nr. 2/2022
KBV: Vertragsarzthonorar auch während Pandemie gestiegen!
- Die Vertragsärzte sind gut durch das erste Jahr der Pandemie gekommen, so der aktuelle Honorarbericht der KBV: Zum Ansichts-PDF
- Die Einnahmen aus kassenärztlicher Tätigkeit sind demnach 2020 um rund 3 % auf durchschnittlich 237.678,00 € je Arzt gestiegen.
- Der Honorarumsatz je Behandlungsfall (Fallwert) nahm 2020 über sämtliche Regionen und Fachgruppen hinweg um fast 8 % auf 75,43 € zu. • Laut KBV sind bei nahezu allen größeren Abrechnungsgruppen Zuwächse des durchschnittlichen Honorarumsatzes je Arzt für 2020 gegenüber 2019 zu verzeichnen.
- Rückgänge wurden bei folgenden Fachgruppen registriert:
> Kinderärzte (-0,4 %)
> Radiologen (-1,6 %)
> Nuklearmediziner (-1,3 %)
> Strahlentherapeuten (-6,5 %)
> Internisten ohne Schwerpunkt (-1,1 %). - Während die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) 2020 bundesweit auf rund 24,5 Mrd. € zurückging (-5,7 %), erhöhte sich die extrabudgetäre Vergütung um 24 % auf 18,2 Mrd. €. Insgesamt bezahlte damit die GKV den Vertragsärzten mit 42,7 Mrd. € rund 5 % mehr Honorar als 2019.
GOÄ: Fertigstellung nach Ostern?
Laut aktuellen Informationen geht Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt davon aus, dass die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Kürze fertig gestellt sein wird.
- Inhaltlich befinde sich die GOÄ bei den Preisbestimmungen inzwischen auf der Zielgeraden.
- Die neue GOÄ soll u.a. die sprechende Medizin bzgl. der Abrechnung berücksichtigen.
- Weiterer Fortgang: Nach Ostern soll der finale Entwurf an Bundesgesundheitsminister Lauterbach gehen.
Ermittlungen gegen Frankfurter Oberstaatsanwalt ziehen weitere Kreise
Der Fall um den unter Korruptionsverdacht stehenden ehemaligen Leiter der Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft scheint in Hessen weitere Kreise zu ziehen. Die Oppositionsparteien SPD und FDP setzen nun Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) in der Sache unter Druck.
Zum Hintergrund: Der heute 54-jährige Jurist war im Juli 2020 festgenommen und einige Wochen später wieder aus der U-Haft entlassen worden. Damals lautete der Verdacht, er habe über mehrere Jahre hinweg rund 240.000,00 € Kick-back-Zahlungen von einem befreundeten Unternehmer für erteilte Gutachten bezogen.
Bei seiner erneuten Festnahme am 28.01.2022 hielt sich Oberstaatsanwalt Alexander B. nicht den Auflagen folgend in seiner eigenen Wohnung auf, sondern bei einer Oberstaatsanwältin der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Das teilte Justizministerin Eva Kühne- Hörmann (CDU) in einer Sondersitzung am 07.03.2022 im rechtspolitischen Ausschuss des Landtags mit. Die Oberstaatsanwältin gilt als Zeugin.
Sie berufe sich jedoch auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, da sie mit dem Beschuldigten verlobt sei, hieß es weiter.
Die Tatvorwürfe zum aktuellen Zeitpunkt: 101 Fälle fortgesetzter erwerbsmäßiger Bestechlichkeit, 55 Fälle gewerbsmäßiger Untreue im Amt sowie neun Fälle der Steuerhinterziehung für den strafrechtlich noch nicht verjährten Zeitraum von 2015 bis 2019.
Die Opposition monierte die lange Dauer bis zum Verfahren. Gerald Kummer (SPD) zitierte Medien mit dem Titel „Größter Justizskandal der Nachkriegsgeschichte“, Marion Schardt-Sauer (FDP) unterstrich, der Skandal würde „Systemschwäche“ offenbaren. Die Ministerin dagegen versicherte, es seien ausreichend Ermittler mit dem Fall beschäftigt und sagte: „Es wird mit Hochdruck an der Anklageschrift gearbeitet.“ Einschätzungen von Beobachtern zufolge ist in der ersten Jahreshälfte mit der Erhebung der Anklage zu rechnen.
In dieser Sache bleibt es also spannend. Das Thema „Antikorruptionsgesetz“ ist durch diese Sache jedoch stark in den Hintergrund gerückt.
Ärztliche Abrechnung bei Geflüchteten
- Der Anspruch der Geflüchteten auf medizinische Versorgung ist im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Das Anrecht auf ärztliche Versorgung ist jedoch gegenüber Kassenpatienten eingeschränkt.
- Zur Abrechnung muss ein von der zuständigen Behörde ausgestellter Krankenschein vorgelegt werden. Hier bestehen jedoch Unterschiede zwischen Bundesländern und teilweise auch zwischen den Kommunen eines Bundeslandes, was die Sache nicht einfacher macht. Wichtig ist, auf die Statuskennzeichnung im Feld „besondere Personengruppe“ (Kennziffer neun) zu achten.
- Notfallbehandlungen können auch ohne Behandlungsschein erfolgen.
- Weitere Informationen zu Bayern finden Sie hier >
- Bei anderen Bundesländern jeweils bei Ihrer KV.
Abrechnung von MRT-Leistungen durch Orthopäden und Chirurgen
Fragestellung und Sachverhalt
Ein Arzt kann auch fachgebietsfremde Leistungen unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 und des § 4 Abs. 2 S. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen
Verhandelter Fall
- Ein FA für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie erbrachte für Privatpatienten MRT-Untersuchungen und rechnete diese anhand der GOÄ-Ärzte ab.
- Ein privater Krankenversicherungsträger ließ sich die Ansprüche der Versicherten abtreten und forderte die gezahlten Honorare zurück.
- Grund: Der Arzt habe die Leistungen in unzulässiger Weise außerhalb seines Fachgebiets vorgenommen.
- Vorinstanz OLG Nürnberg, Urteil vom 09.03.2020, Az.: 5 U 634/18: Wer eine Gebietsbezeichnung führt, darf grundsätzlich nur in dem betreffenden Gebiet tätig sein.
- Inhalt und Umfang gehen aus der Weiterbildungsordnung hervor.
- Hiernach können MRT-Leistungen durch Orthopäden und Chirurgen nicht als fachfremd eingestuft werden.
- Die fachliche Befähigung wurde durch verschiedene Lehrgänge MRT-fachgebunden erworben.
- Die Berufung der privaten Krankenversicherung blieb erfolglos.
- Es kam zur Revision beim Bayerischen Obersten Landgericht (BayObLG).
Entscheidung und Konsequenzen
- Es kann dahingestellt bleiben, ob die MRT-Untersuchungen für den Arzt fachfremd sind.
- Die Behandlungsverträge mit den Patienten seien nicht nichtig, es liegt kein Verbotsgesetz vor.
- Auch steht § 1 Abs. 1 S. 1 bzw. § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ der Abrechnung nicht entgegen.
- § 1 Abs. 1 S. 1 GOÄ: „Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind.“
- „Nach den Regeln der ärztlichen Kunst“: objektive Beurteilung > Sofern die im Einzelfall ergriffene diagnostische bzw. therapeutische Maßnahme dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, unterliegt deren Berechnung nach GOÄ keinen Einschränkungen.
- War die Behandlung nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme als notwendig anzusehen?
> Keine Anhaltspunkte, dass keine medizinische Indikation bestand. > § 4 Abs. 2 GOÄ: „Der Arzt kann Gebühren nur für selbstständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen).“ > Bestimmte Leistungen darf ein Arzt an sein qualifiziertes Hilfspersonal delegieren. > Bestimmte fachliche Qualifikation des Arztes verlangt § 4 Abs. 2 GOÄ nicht. Interessantes Urteil! Bilden Sie sich bitte Ihre Meinung.
Lauterbach: Leistungskürzungen keine Option trotz GKV-Defizit
Mit Blick auf die kommenden Haushaltsberatungen im Bundestag schließt Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach Leistungskürzungen bei der medizinischen Versorgung angesichts des GKV-Defizits aus.
- Zum Hintergrund: Der GKV fehlen laut aktuellen Schätzungen 2023 rund 17 Mrd. €.
- Verantwortlich hierfür sind u.a. Gesetze aus der vergangenen Legislaturperiode sowie die Corona-Pandemie.
- Kürzlich wurde vom Bundesgesundheitsminister bereits vorgewarnt, dass es zu steigenden Zusatzbeiträgen bei den Versicherten kommen wird.
- Grundsätzlich solle die Last jedoch auf mehreren Schultern verteilt werden. Dazu würde bspw. auch die Erhöhung des Steuerzuschusses zählen.
Folgen der Corona-Pandemie: Mehr Krebsfälle im Spätstadium
Aktuelle Daten einer US-Klinik zeigen, dass die negativen Folgen versäumter Vorsorgeuntersuchungen aufgrund der Corona-Pandemie bereits sichtbar sind.
- Der Einbruch bei routinemäßigen Screening-Untersuchungen dürfte zu einem Anstieg von erst in fortgeschrittenen Stadien entdecktem Brust- und Darmkrebs führen.
- Die Verschiebung hin zu höheren Stadien und einer schlechteren Prognose hat laut den Patientenakten einer US-amerikanischen Krebsklinik bereits begonnen.
- „Die Inzidenz von Patienten mit kolorektalen und Mammakarzinomen, die sich erst im Spätstadium in unserer Klinik vorstellen, hat seit dem Beginn der Pandemie zugenommen“, so die Studienautoren um Dr. Jade Zifei Zhou (Moores Cancer Center der University of California San Diego Health). Auch in anderen Untersuchungen sei ein Anstieg von fortgeschrittenen und unheilbaren Stadien festgestellt worden, daher seien negative Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Krebsmortalität zu befürchten. Patienten sollten versäumte Vorsorgeuntersuchungen schnellstmöglich nachholen, so die Empfehlung.
- Von 220 Brustkrebspatientinnen und -patienten im ersten Pandemiejahr hatten im Vergleich zu den 216 Patientinnen und Patienten im Jahr davor signifikant weniger eine Stadium-I-Erkrankung (51,3 % vs. 63,9 %) und signifikant mehr ein Stadium-IV-Karzinom (6,2 % vs. 1,9 %). Dieser Trend setzte sich im ersten Quartal 2021 noch weiter fort (41,9 % im Stadium I, 8,0 % im Stadium IV).
- Ebenso bei den kolorektalen Karzinomen: Stadium- I-Tumoren gingen von 17,6 % auf 14,8 % zurück, Stadium-IV-Tumoren nahmen von 6,7 % auf 19,5 % zu.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei vorgenannten Ausführungen lediglich um eine Momentaufnahme des aktuellen Sachstands handelt, der sich jederzeit ändern kann.
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