Das Pflichtteilsrecht
Rechtsanwältin Olivia Roth
Bei der Erstellung eines Testaments oder Erbvertrags sowie bei Schenkungen dürfen die Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht nicht außer Acht gelassen werden. Im Folgenden gehen wir unter anderem auf das Pflichtteilsrecht, dessen Höhe, den Pflichtteilsergänzungsanspruch und auf den Pflichtteilsverzicht ein.
Was ist das Pflichtteilsrecht?
Beim Pflichtteilsrecht handelt es sich um einen gesetzlich festgelegten Mindestanteil am Erbe, der bestimmten Personen zusteht, auch wenn der Erblasser etwas Anderes im Testament oder Erbvertrag verfügt hat. Pflichtteilsberechtigte sind der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner, die (adoptierten) Kinder (bzw. bei deren Vorversterben die Enkel) sowie die Eltern des Erblassers, falls keine Kinder vorhanden sind. Der Pflichtteilsanspruch besteht in Geld und bezieht sich nicht auf konkrete Gegenstände aus dem Nachlass.
Wie hoch ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der dem Pflichtteilsberechtigten zugestanden hätte, wenn es keine Verfügung von Todes wegen gäbe. Für die Berechnung des gesetzlichen Erbteils ist entscheidend, wie viele Abkömmlinge der Erblasser hat und in welchem Güterstand der Erblasser verheiratet ist. Ist der Erblasser beispielsweise im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet und hat zwei Kinder, beträgt der Pflichtteilsanspruch des Ehepartners ¼ und der Pflichtteilsanspruch der Kinder je 1/8.
Wer ist Pflichtteilsschuldner?
Grundsätzlich ist der Erbe oder Miterbe Pflichtteilsschuldner. Auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch haftet zunächst primär der Erbe. Ein Anspruch gegen den Beschenkten besteht nur dann, wenn der Erbe aus Rechtsgründen zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist. Dies ist der Fall, wenn er für die Nachlassverbindlichkeiten nur beschränkt haftet und der Nachlass zur Entrichtung der Pflichtteilsergänzung nicht ausreicht. Bei bloßer Zahlungsunfähigkeit des unbeschränkt haftenden Erben besteht kein Anspruch gegen den Beschenkten. Sofern gegen den Beschenkten ein Anspruch besteht, richtet sich dieser auf Herausgabe des Geschenks oder – wenn das Geschenk nicht mehr vorhanden ist – auf Wertersatz, solange keine Entreicherung vorliegt.
Wann erfolgt eine Anrechnung auf den Pflichtteil?
Der Pflichtteilsberechtigte muss sich auf den Pflichtteil anrechnen lassen, was ihm von dem Erblasser durch Schenkung mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Die Anordnung hat vor oder bei Zuwendung und zu Beweiszwecken in Textform zu erfolgen. Eine nachträgliche Anordnung ist nur in notarieller Form gemeinsam mit dem Pflichtteilsberechtigten möglich.
Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Hat der Erblasser gegenüber einem Dritten eine Schenkung vorgenommen, kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.
Der Wert der Schenkung reduziert sich jedes Jahr um 1/10, d.h. nach 10 Jahren ist eine Pflichtteilsergänzung nicht mehr möglich. Die Frist beginnt bei Schenkungen an den Ehegatten erst mit der Scheidung. Ebenso beginnt die Frist bei Schenkungen unter Vorbehalt von Nutzungsrechten, wie beispielsweise dem Nießbrauch, erst mit der Aufgabe des Rechts. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch Eigengeschenke vom Erblasser anrechnen lassen. Eine Anrechnungsanordnung ist nicht erforderlich und die 10-Jahresfrist ist unbeachtlich. Eine Anrechnung erfolgt nur auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch und reduziert nicht den ordentlichen Pflichtteil.
Was ist ein Pflichtteilsverzicht und wann ist er sinnvoll?
Ein Pflichtteilsverzicht ist eine vertragliche Vereinbarung, durch die ein Pflichtteilsberechtigter freiwillig auf seinen gesetzlichen Anspruch auf den Pflichtteil verzichtet. Dieser Verzicht muss notariell beurkundet werden, um rechtswirksam zu sein. Der Pflichtteilsverzicht kann sich auf den gesamten Pflichtteil, nur auf einen Teil davon oder nur auf einen Ergänzungsanspruch beziehen und er kann auch für zukünftige Erbfälle vereinbart werden.
Ein Pflichtteilsverzicht kann unter anderem sinnvoll sein, wenn der Großteil des Erbes in Immobilien oder Unternehmensanteilen besteht und aufgrund mangelnder Liquidität die Geltendmachung des Pflichtteils zu Zwangsverkäufen führen würde.
Mit welchem Wert ist eine Schenkung anzusetzen?
Bei der Pflichtteilsanrechnung bestimmt sich die Höhe nach dem Wert der Zuwendung zum Schenkungszeitpunkt unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist hierbei als Maßstab anzusetzen, wobei es dem Erblasser freisteht, einen niedrigeren Anrechnungswert zu bestimmen.
Bei dem Pflichtteilsergänzungsanspruch bestimmt sich die Höhe danach, ob eine verbrauchbare oder nicht verbrauchbare Sache vorliegt. Verbrauchbare Sachen wie Geld werden mit dem Wert der Zuwendung zum Schenkungszeitpunkt unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes angesetzt. Bei nicht verbrauchbaren Sachen wie Immobilien ist der Wert der Zuwendung zum Zeitpunkt des Erbfalls anzusetzen – außer der Wert zum Schenkungszeitpunkt ist unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes niedriger.
Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?
Der ordentliche Pflichtteilsanspruch sowie der Pflichtteilsergänzungsanspruch verjähren regelmäßig nach drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit Ende des Jahres, in dem der Erbfall stattfand und der Berechtigte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Ohne Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis beträgt die Verjährung 30 Jahre nach dem Erbfall.
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