Neuigkeiten im Arbeitsrecht: Neue Gesetze, neue Rechtsprechung

Neuigkeiten im Arbeitsrecht: Neue Gesetze, neue Rechtsprechung

mitarbeiter jonas strasser
Rechtsanwalt Jonas Straßer
Mit dem Jahreswechsel lohnt sich ein Blick auf das Arbeitsrecht und darauf, welche Änderungen durch Gesetz und Rechtsprechung ein- und aufgetreten sind oder noch kommen werden.
Mit diesem Newsletter wollen wir Sie auf heutige Neuigkeiten und noch kommende Neuigkeiten aufmerksam machen.

Digitaler/Elektronischer Arbeitsvertrag

Der Abschluss eines Arbeitsvertrags war bereits bisher mündlich, schriftlich oder auch per Textform (§ 126b BGB) möglich. Jedoch war der Arbeitgeber bisher verpflichtet, die nach § 2 Abs. 1 NachwG erforderliche Niederschrift über wesentliche Vertragsbedingungen des Arbeitsvertrags schriftlich an den Arbeitnehmer auszuhändigen. Damit waren im Ablauf der Begründung von Arbeitsverhältnissen weiter Papierdokumente erforderlich. Der Gesetzgeber erlaubt seit dem 01. Januar 2025 nunmehr die Niederschrift über wesentliche Vertragsbedingungen auch in Textform abzufassen und dem Arbeitnehmer zu übermitteln.

Die Übermittlung muss hierbei individuell erfolgen. Arbeitnehmer haben einschränkend jedoch weiter Anspruch auf Aushändigung in Schriftform, sofern sie es ausdrücklich verlangen. Ausgenommen von dieser Reglung sind die Arbeitsbereiche und Arbeitszweige des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (Bau-, Gaststätten-, Beherbergungs-, Speditions-, Transportbranche, Fleischwirtschaft und Gebäudereinigung).

Im Einzelfall bleibt jedoch weiterhin zu bewerten, ob es nicht aus anderen Rechtsgründen einen Arbeitsvertrag in Schriftform braucht (Befristung von Arbeitsverträgen, Wettbewerbsklauseln für die Zeit nach dem Arbeitsverhältnis, etc.).

Digitale Anträge auf Elternzeit

Zudem können ab dem 01. Januar 2025 Anträge auf Elternzeit und Teilzeit in Elternzeit, sowie deren Ablehnung in Textform (§ 126b BGB) erfolgen; ebenso wie Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen Ver- und Entleiher.

Digitales Arbeitszeugnis

Mit Einverständnis des Arbeitnehmers besteht ab dem 01. Januar 2025 die Möglichkeit, ein Arbeitszeugnis digital auszustellen. Hierbei bedarf es jedoch der qualifizierten elektronischen Signatur. Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis in Schriftform bleibt weiter bestehen.

Digitale Befristung der Regelaltersgrenze

Die Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze ist in juristischer Sicht als Befristung zu qualifizieren, die damit der Schriftform bedarf. Der Gesetzgeber erlaubt nunmehr ab dem 01. Januar 2025 die Möglichkeit der Befristung zum Erreichen der Regelaltersgrenze in Textform (§ 126b BGB) gem. § 41 Abs. 2 SGB VI. Wichtig hierbei ist, dass diese Regelung jedoch für die Regelaltersgrenze gilt, nicht für vorgezogene oder gekürzte Renten.

Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Kündigung

Grundsätzlich begründet eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den Beweis der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muss nunmehr die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und deren Beweiskraft erschüttern, um den Arbeitnehmer wieder in seine Darlegungs- und Beweispflicht über die Arbeitsunfähigkeit zu bringen.

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mit Urteil vom 08. September 2021 (5 AZR 149/21) festgestellt, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeit erschüttert sein kann, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum Ende der Kündigungsfrist reicht und im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigungserklärung steht.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2023 (Az. 5 AZR 137/23) bestätigt das Bundesarbeitsgericht nun seine Rechtsprechung und sah den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert an, wenn eine Arbeitsunfähigkeit passgenau mit der Kündigungsfrist einer Arbeitgeberkündigung erteilt oder verlängert wird und der Arbeitnehmer direkt im Anschluss in einem neuen Arbeitsverhältnis wieder ohne Arbeitsunfähigkeit tätig ist.

Geschäftsführer: Zulässiger Wegfall einer Karenzentschädigung bei Wettbewerbsverstoß

Unter Beachtung der Voraussetzungen der §§ 74 ff. HGB kann mit einem Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot für den Zeitraum nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig vereinbart werden. Das Wettbewerbsverbot ist hierbei auf das notwendige Maß in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht zu begrenzen und dem Arbeitnehmer für den Zeitraum des Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe zu bezahlen. Wesentlich größere Flexibilität besteht bei Wettbewerbsvereinbarungen mit Geschäftsführern oder anderen Leitungspersonen.

Mit Urteil vom 23. April 2024 (II ZR 99/22) bestätigt der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung hierzu und stellte die Zulässigkeit einer Vereinbarung fest, die rückwirkend den vollständigen Wegfall einer Karenzentschädigung vorsah, sofern der Dienstnehmer in der Zeit des zweijährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ein Wettbewerbsverbot begeht. Es sei keine unbillige Belastung des Dienstnehmers gegeben, denn es besteht bei einem Geschäftsführer einer GmbH ohnehin keine Pflicht zur Karenzentschädigung.

Keine Fünftelregelung beim Lohnsteuerabzug

Mit Wirkung zum 01. Januar 2025 entfällt die Pflicht zur Anwendung der sog. Fünftelregelung einer Abfindung beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber. Stattdessen findet die Regelung nunmehr alleine bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers Anwendung. Die steuerrechtliche Entlastung des Arbeitnehmers erfolgt erst später über die Einkommensteuer.

Annahmeverzugslohn bei Unterlassen anderweitiger Beschäftigungen

Nach einer Kündigung des Arbeitgebers dürfen Arbeitnehmer auch während des Kündigungsschutzprozesses eine andere Tätigkeit und einen anderen Verdienst nicht böswillig unterlassen und müssen mit einer Reduzierung des Annahmeverzugslohns andernfalls rechnen.

Mit Urteil vom 07. Februar 2024 (Az. 5 AZR 177/23) sah das Bundesarbeitsgericht ein solch böswilliges Unterlassen im Fall der Mitteilung gegenüber der Bundesarbeitsagentur, man werde auf Jobangebote nicht eingehen und etwaige Arbeitgeber über den Kündigungsrechtsstreit informieren.

Erreichbarkeit in der Freizeit

Für Arbeitnehmer besteht eine Nebenpflicht, Weisungen des Arbeitgebers während der Freizeit entgegenzunehmen, insbesondere Arbeits- und Dienstzuteilungen. Eine entsprechende Abmahnung sah das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 23. August 2023 (Az. 5 AZR 349/22) als gerechtfertigt an.

Anscheinsbeweis einer Kündigung mit Einschreiben/Einwurf

Im Fall der Zustellung einer Kündigung mittels Einschreiben/Einwurf darf angenommen werden, dass der Mitarbeitende des Postzustellungsunternehmens den Zugang des Briefes an dem bestätigten Tag bewirkt hat. Der Arbeitgeber darf sich auf den Anscheinsbeweis berufen, den der Arbeitnehmer zu erschüttern hat. Das bloße Bestreiten einer Zustellung ist nicht ausreichend, so das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20. Juni 2024 (Az. 2 AZR 213/23).

Vergütung von Umkleide-, Wege- und Körperreinigungszeiten

Das Bundesarbeitsgericht hält mit Urteil vom 23. April 2024 (Az. 5 AZR 212/23) fest, dass jede Tätigkeit zu vergüten ist, die der Befriedung des fremden Interesses des Arbeitgebers dient. Demnach ist die Zeit für das Anziehen und Ablegen einer ausschließlich im Betrieb zu verpflichtend zu tragenden Arbeitskleidung vergütungspflichtig; ebenso wie die Wegezeit zwischen Umkleidekabine und Arbeitsplatz.

Die Zeit der Körperreinigung ist hingegen vergütungspflichtig, wenn eine seitens des Arbeitgebers angeordnete oder sich aus anderen Rechtsgründen ergebende Körperreinigungspflicht besteht oder die Tätigkeit eine Verschmutzung des Arbeitnehmers mit sich bringt, die dem Arbeitnehmer nicht für das Anziehen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und dem Heimweg zugemutet werden kann.

Überstundenzuschläge bei Teilzeitbeschäftigten

Arbeitsrechtliche oder tarifvertragliche Regelungen, die Überstundenzuschläge erst ab der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten vorsehen und nicht auf die individuelle Arbeitszeit eines Arbeitnehmers eingehen, sind nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05. Dezember 2024 (Az 8 AZR 370/20) unzulässig und diskriminierend.

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