Straftatbestände eines Unternehmers – Teil 2
Rechtsanwalt Jonas Straßer
Der Alltag von Unternehmern und Geschäftsführern ist von Eile, Verantwortung und Entscheidungskompetenz geprägt. Viel Kommunikation, Vertrauen zu Mitarbeitern und klare Regeln sind heute unerlässlich, um den eigenen Betrieb und das Geschäft zu führen.
Gleichzeitig besteht hierdurch eine Vielzahl von Fallstricken, die man in all dem Trubel schnell aus dem Blick verlieren kann – eine Gelegenheit für uns, in der folgenden Serie von Newslettern ausgewählte Straftatbestände, die insbesondere für Unternehmer und Geschäftsführer relevant sind, zu benennen und zu erläutern.
Insolvenzverschleppung, § 15a Abs. 4 InsO
Im Fall einer Insolvenz(-reife), das heißt, wenn Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt werden können, sind juristische Personen, damit insbesondere Kapitalgesellschaften, bzw. deren Organe, verpflichtet, fristgebunden einen Insolvenzantrag zu stellen. Kommt man dieser Pflicht nicht nach, macht man sich der Insolvenzverschleppung schuldig. Die Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen zu können, liegt vor im Fall der
- Zahlungsunfähigkeit, das heißt die heute fälligen Zahlungspflichten können nicht mehr bezahlt werden,
- drohenden Zahlungsunfähigkeit, das heißt die künftig fälligen Zahlungspflichten können zum Zeitpunkt ihrer künftigen Fälligkeit voraussichtlich nicht mehr bezahlt werden, sowie
- Überschuldung, das heißt das Vermögen reicht nicht aus, um die Verbindlichkeiten zu bezahlen, es sei denn, eine Fortführung des Unternehmens ist überwiegend wahrscheinlich.
Der Antrag ist zudem richtig zu stellen; ein fehlerhafter Antrag führt weiter zu Strafbarkeit. Die Antragsfrist beträgt drei Wochen, im Falle einer Überschuldung sechs Wochen. Voraus geht zugleich die Pflicht, die Insolvenzreife des Unternehmens frühzeitig zu erkennen; eine Exkulpation, man hätte die Insolvenz nicht rechtzeitig erkannt oder geprüft, ist demnach ausgeschlossen. In diesem Fall liegt ein „schuldhaftes Zögern“ vor. Antragsverpflichtet sind die Mitglieder der Organe der Gesellschaft bzw. die Liquidatoren; konkret meint dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs neben Geschäftsführern und Vorständen auch Gesellschafter. Die Beurteilung der Fortführungsprognose im Fall einer Überschuldung ist keine einfache Annahme, sondern setzt eine vollständige Bewertung eines Wirtschaftsprüfers voraus. Der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung als Bestandteil des Insolvenzstrafrechts ist von besonderer Bedeutung, weil die Insolvenzgerichte von Amts wegen jedes Insolvenzverfahren an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zur Prüfung weiterleiten. Hinzu kommt eine Durchgriffshaftung Dritter auf das Privatvermögen der Antragsverpflichteten. Der Straftatbestand kann vorsätzlich und fahrlässig erfüllt werden. Der Versuch ist strafbar.
Bankrott, § 283 StGB
Das Insolvenzstrafrecht knüpft an folgende Handlungen im Falle des Bestehens einer Insolvenz(-reife), mithin im Falle einer Zahlungsunfähigkeit, einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung (vgl. oben), oder an ein Herbeiführen der Insolvenz erst durch folgende Handlungen den Straftatbestand des Bankrotts an:
- Beiseiteschaffen, Verheimlichen oder Zerstören, Beschädigen und Unbrauchbarmachen von Vermögensgegenständen,
- Vornahme von Verlustgeschäften, Spekulationsgeschäften, Differenzgeschäften (entsprechende Spekulationsgeschäfte, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind, jedoch eigentlich auf die Realisierung eines Gewinns aufgrund Marktschwankungen abzielen) sowie unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel, Wette,
- Vortäuschen und Anerkennung von Scheingeschäften
- Nichtführen von Handelsbüchern trotz Verpflichtung, mangelhafte Führung oder Veränderung von Handelsbüchern, Beiseiteschaffen, Verheimlichen, Zerstören oder Beschädigen von Handelsbüchern, Aufstellen von Bilanzen entgegen dem Handelsrecht bzw. Nichtaufstellen einer Bilanz, und
- Verringerung oder Verheimlichung und Verschleierung von Vermögensgegenständen und geschäftlichen Verhältnissen in anderer Weise.
Voraussetzung der Strafbarkeit ist weiter die (später eingetretene) erfolgte Einstellung von Zahlungen (meist faktisch durch das Aufhören von Zahlungsvorgängen), die Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens und/oder die gerichtliche Abweisung des Insolvenzantrags mangels Insolvenzmasse. Der Straftatbestand kann vorsätzlich und fahrlässig erfüllt werden. Der Versuch ist strafbar.
Schuldnerbegünstigung, § 283d StGB
Für den Fall, dass nicht der in der Krise Befindliche, sondern ein Dritter den Tatbestand des Bankrotts gem. § 283 StGB erfüllt und damit auf Kosten der Gläubiger einen Sondervorteil dem Krisenbefangenen verschaffen will, sieht das Strafgesetz den Straftatbestand der Schuldnerbegünstigung vor. Strafbar ist sowohl eine Handlung mit Einwilligung des Krisenbefangenen, gegeben bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit sowie bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, als auch die Handlung zugunsten des Krisenbefangenen, mithin in und für dessen Interesse, gegeben bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Voraussetzung der Strafbarkeit ist weiter die (später eingetretene) erfolgte Einstellung von Zahlungen, die Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens und/oder die gerichtliche Abweisung des Insolvenzantrags mangels Insolvenzmasse. Der Versuch ist strafbar.
Gläubigerbegünstigung, § 283c StGB
Die Gläubigerbegünstigung knüpft an den Tatbestand des Bankrotts an, und führt im Falle der Tatbestandserfüllung zu einer milderen Strafe. Dies ist im Fall der Gläubigerbegünstigung gegeben, solange die Begünstigung die gleichmäßige Befriedigung der Gesamtgläubiger beeinträchtigt, jedoch die Insolvenzmasse hierüber hinaus nicht schädigt. Tathandlung ist nach Eintritt der Insolvenz(-reife) das Gewähren von Sicherheiten oder Befriedigen des Gläubigers, und zwar quotenmäßig begünstigt gegenüber anderen Gläubigern (sog. inkongruente Deckung). Voraussetzung ist die Insolvenz-(reife) sowie weiter die (später eingetretene) erfolgte Einstellung von Zahlungen, die Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens und/oder die gerichtliche Abweisung des Insolvenzantrags mangels Insolvenzmasse. Der Versuch ist strafbar.
Verletzung der Buchführungspflicht, § 283b StGB
Neben dem Bankrott stellt die Verletzung der Buchführungspflicht einen eigenständigen Strafbarkeitstatbestand dar, der nicht das Bestehen einer Insolvenz(-reife) wie der Bankrott voraussetzt. Mithin ist das Nichtführen von Handelsbüchern trotz Verpflichtung, mangelhafte Führung oder Veränderung von Handelsbüchern, Beiseiteschaffen, Verheimlichen, Zerstören oder Beschädigen von Handelsbüchern, Aufstellen von Bilanzen entgegen dem Handelsrecht bzw. Nichtaufstellen einer Bilanz (vgl. oben) auch ohne Insolvenz(-reife) zum Tattag strafbar. Jedoch bedarf es einer Beziehung der Tatbestandshandlungen (insbesondere z.B. Motiv) für die ebenfalls hier erforderliche (später eingetretene) erfolgte Einstellung von Zahlungen, die (spätere) Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens und/oder die (spätere) gerichtliche Abweisung des Insolvenzantrags mangels Insolvenzmasse. Der Straftatbestand kann vorsätzlich und fahrlässig erfüllt werden.
Häufig werden im Falle einer der vorstehenden Strafbarkeitshandlungen noch weitere Strafbarkeitshandlungen vorgenommen, insbesondere das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gem. § 266 StGB sowie des Betrugs gem. § 263 StGB. Hierzu sei auf unseren Newsletter „Straftatbestände eines Unternehmers – Teil I“ vom Februar 2024 verwiesen.
Weitere Straftatbestände werden im Rahmen dieser Serie von Newslettern gesondert erläutert.
Weitergehende Rechtsfolgen einer Straftat
Bei der Bewertung der Rechtsfolgen einer Straftat darf nicht alleine auf die drohende Höhe eines Strafausspruchs des Gerichts abgestellt werden. Das Gesetz knüpft in zahlreichen Konstellationen an etwaige Verurteilungen an und setzt bereits gesetzlich Rechtsfolgen. Beispielsweise können verurteilte Straftäter u.U. nicht Geschäftsführer einer GmbH sein (§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG), es kann der Entzug einer Waffenerlaubnis oder der Entzug einer Jagderlaubnis erfolgen oder die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden nach § 35 GewO kann erkannt werden.
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